Eine Insel mit zwei Bergen…

Eine Insel mit zwei Bergen…

…und dem tiefen, weiten Meer. Mit vier Tunnels und Geleisen und dem Eisenbahnverkehr.

Naja, eher ein See als ein Meer. Und Eisenbahnen gibt es auf der Zwillingsvulkaninsel Isla Ometepe auch nicht wirklich, trotzdem soll sie Inspiration für das berühmte Lied der Augsburger Puppenkiste und noch viele weitere Geschichten, unter anderem von Mark Twain, gewesen sein. Wenn man auf der Fähre von San Jorge ablegt und sich bei strahlend blauem Himmel langsam aber stetig dieser Insel mitten im Nicaraguasee nähert, dabei beobachtet wie die beiden majestätischen Vulkane, der steinige Concepcion mit seiner bilderbuch-perfekten Form und der nebelverhangenen Spitze und der etwas kleinere und sehr grüne Maderas, fast den gesamten Platz der Insel einnehmen…ja, das regt auf jeden Fall zum Geschichten schreiben an.

Und wo wir gerade bei Geschichten sind: Der Legende nach gab es zwei verfeindete Indianerstämme, die sich um Land und Machtansprüche stritten. Trotz dieser Feindseligkeiten – wer hätte das gedacht – verliebte sich der tapfere Nagrando in die feindliche Häuptlingstochter, ihr Name war Ometepl. Selbstverständlich war diese Liebe nach dem Gesetz der Ahnen verboten, sodass sich die beiden nur heimlich treffen konnten. Da sie das langfristig nicht aushalten konnten, beschlossen sie gemeinsam zu fliehen. Ihre Flucht blieb jedoch nicht unbemerkt und die Stämme verfolgten sie erbittert. Schnell merkten sie, dass es nur einen einzigen Ausweg gab. Naaa, wer kommt drauf? Genau, Selbstmord. Sie schnitten sich ihre Pulsadern auf, Ometepl stürzte nach hinten, Nagrando taumelte ein paar Schritte und fiel nach vorne, und das Blut der Liebenden füllte bald das gesamte Tal, wodurch der Nicaraguasee entstand. Nur die Brüste der schönen Ometepl ragten hervor und wurden zu den Vulkanen Maderas und Concepcion, der Rest von Nagrandos Körper bildet heute die Insel Zapatera. Es ist interessant, wie sehr die Legenden in Nicaragua den unseren ähneln, obwohl sie vor so langer Zeit und so weit weg entstanden. Die Frauen der Isla de Maiz und unsere Geschichten über die Amazonen, die Legende vom Nicaraguasee und unsere Romeo und Julia Geschichte. Mal sehen, was da noch so kommt.

Um es mit den Worten von Soul II Soul zu sagen: Back to reality! Wie schon erwähnt liegt die Insel Ometepe im Nicaraguasee und ist die weltweit größte Vulkaninsel in einem Süßwassersee. Der Nicaraguasee selbst ist der größte Binnensee Mittelamerikas und nach dem Titicacasee der zweitgrößte See Lateinamerikas. Der Bodensee würde etwa 15x in den Nicaraguasee hineinpassen, und neben vielen anderen Fischen gibt es im Nicaraguasee auch Haie! Der Bullenhai kann im Süß- und Salzwasser leben und kommt über den Zufluss des Rio San Juan bis in den Nicaraguasee. Bullenhaie werden nach dem weißen Hai und Tigerhaien für die meisten Angriffe auf Menschen verantwortlich gemacht – also immer schön Obacht beim Schwimmen!

Ich beginne unsere Reise in San Jorge, ein kleiner Ort der eigentlich fast nur aus seinem Hafen besteht. Und dieser wiederum ist eigentlich nur dazu da Besucher und Einheimische vom Festland durch den Nicaraguasee bis nach Ometepe und auf die umliegenden Inseln zu befördern. Wenn man das Glück hat nicht an Seekrankheit zu leiden, ist schon die Überfahrt ein Ereignis für sich. Die Fahrtüchtigkeit der Fähre mal dahingestellt macht es viel Spaß mit den Wellen immer näher an die Vulkane heran zu fahren und sie dabei ausgiebig zu beobachten. Was dabei als erstes auffällt ist, dass die beiden Zwillingsvulkane entgegen ihrer Bezeichnung sehr unterschiedlich aussehen. Der Vulkan Concepcion ist mit 1610m der Höhere der beiden, und von Westen aus kann man an den getrockneten Lavaströmen klar die Spuren des letzten Ausbruchs im Jahr 2010 erkennen. Der Kegel des Vulkans ist nahezu perfekt, so wie man ihn von einer idealtypischen Zeichnung eines Vulkans erwarten würde. Der zweite Vulkan, Maderas, ist mit 1394m der Kleinere der beiden, und auch von der Form her viel flacher und unregelmäßiger gestaltet. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder ist der Maderas sehr viel grüner.

Auf der Insel angekommen begrüßen uns tropische Wälder, die direkt bis ans Ufer des Sees wachsen. Jugendliche springen mit Saltos von bunten Booten in den See und ehrgeizige Taxifahrer bequatschen die ankommenden Touristen mit Transportangeboten. Wir lehnen dankend ab und entscheiden uns dafür spontan ein Hostel in Moyogalpa zu suchen, unserem Ankunftsort und dazu dem größten der Insel. Unser Plan (und mit Uns meine ich Alex und mich) für dieses Wochenende ist relativ simpel: Den Maderas besteigen und uns mit Franzi treffen, einer Freundin von mir aus Deutschland. Wenn noch Zeit bleibt würden wir gerne ein bisschen Sonne tanken, aber das ist eher optional. Das Hostel in Moyogalpa ist schnell gefunden, und da es schon spät war, haben wir nur noch ein Motorrad zur Fortbewegung auf der Insel und etwas zu Essen organisiert.

Die Insel Ometepe ist in eine Nord- und eine Südinsel unterteilt. Es gibt Busse, die sind extrem langsam und unzuverlässig, Taxen, die sind extrem teuer, und Roller bzw. Motorräder zur Fortbewegung. Da Franzi für uns ab Freitag ein Hostel auf der Südinsel gebucht hat, wo auch der Vulkan Maderas ist, haben wir uns für ein Motorrad entschieden. Während die Straßen im Norden verhältnismäßig gut sind, wurden wir gewarnt dass es im Süden hauptsächlich Dreck- und Matschstraßen sind. Deshalb ist das Motorrad bzw. eine Enduro das Gefährt unserer Wahl. Ich bin zwar das letzte Mal bei meiner praktischen Prüfung gefahren, aber hey – so schwer war das damals doch gar nicht…

Gesagt, getan. Nach ein paar erfolgreichen Proberunden auf dem Motorrad ging es dann am nächsten Tag auch schon los in Richtung Südinsel. Wir hatten am Abend vorher mal mit einem Tourguide zu unserer Vulkanbesteigung gesprochen, der uns aufgrund des vielen Regens in den letzten Tagen vehement davon abgeraten hat. Der Maderas sei sowieso schon besonders nass und schlammig, bei so viel Regen sei der Aufstieg nicht machbar. Das waren erst Mal schlechte Neuigkeiten, aber wir wollten in der Hacienda Merida – dem Hostel auf der Südinsel – noch mal genauer nachfragen. Wir hatten gehofft dass sie durch die Nähe zum Maderas vielleicht noch ein paar Tricks auf Lager haben würden. Da Franzi und Begleitung erst am Nachmittag eintreffen sollten, wollten wir unsere Rucksäcke in der Hacienda Merida abladen und schon mal zum Wasserfall San Ramon wandern. Der war zwar auf den Fotos nur mäßig-schön, aber die Wanderung dorthin wird im Reiseführer als ganz besonders toll beschrieben. Also los!

Was soll ich sagen? Die Leute in Moyogalpa haben nicht übertrieben, was die Qualität der Straßen auf der Südinsel angeht. Im Norden ist alles hübsch gepflastert, aber im Süden gibt es keine Pflastersteine mehr, nur noch kleinere Steinbrocken, Dreck und Matsch und Dreck und Matsch. Natürlich nicht ebenerdig, sondern schön hügelig auf und ab mit Löchern und kleinen Erdhügeln soweit das Auge reicht. Mit Beifahrer hinten drauf und beiden Rucksäcken war das leicht unangenehm zu fahren, aber wir haben es letztlich bis zum Hostel geschafft und konnten dort unser Gepäck ablegen. Leider war das Hostel selbst nicht so schön wie wir es uns erhofft hatten. Es war ziemlich versteckt hinter ein paar Häusern und neben einer Schule und einem kleinen Laden. Hat man das Hostelgelände dann betreten, kam man zu einem weitläufigen Innenbereich, der halb-nett aussah und völlig verlassen war. Nach einigem rumrennen haben wir dann jemanden gefunden, mit dem wir zu der Reservierung sprechen konnten. Ich nannte besagter Person Franzis Namen und dass sie für uns einen 4er Schlafsaal reserviert hatte. Reaktion? Ein verwirrter Blick, eine Weile planloses hin- und her blättern in einem Notizbuch und die Aussage, dass sie keine 4er Schlafsäle haben. Nur einen für sieben Personen. Den, sowie die privaten Zimmer, haben wir uns dann angeschaut und entschieden dass wir auf Franzi und Alberto warten würden, bevor wir uns entscheiden. Da deren Ankunft noch eine Weile dauern würde, haben wir unser Gepäck einschließen lassen und sind dann – endlich ohne Rucksäcke – weiter bis zum Startpunkt der Wasserfallwanderung gefahren.

Das. War. So. Schön… Wirklich. Die Wanderung hat auf einer Art Feldweg angefangen, der von Bäumen flaniert war, und ging dann weiter bergauf in einen kleinen Wald. Während der Wald am Anfang unseren heimischen Wäldern noch sehr ähnelte, wurde er mit steigenden Höhenmetern auch immer tropischer. Während wir so bergauf stapften konnten wir Kühe, Pferde und hübsche Vögel beobachten, die Affen haben wir leider nur gehört, nicht gesehen. Der Weg war am Anfang nur etwas steil, wurde dann aber irgendwann zur richtigen Kletterpartie. Wir haben die ganze Strecke zu Fuß hingelegt. Man hätte den ersten Teil auch mit Motorrad, Quad oder Pferd machen können, kam aber irgendwann zu einem Punkt, an dem man auch die hätte stehen lassen müssen. Und dann wurde es erst richtig spaßig. Nachdem wir den Matsch-Teil der Strecke erfolgreich besiegt hatten ging es ab in einen Fluss. Hätten wir nicht weiter vor uns andere Besucher und sonst keinen Alternativweg gesehen, ich hätte ehrlich nicht gedacht dass so viel der Strecke einfach DURCH den Fluss durch ging. Die ersten Meter habe ich noch versucht möglichst nicht nass zu werden und es dann schnell aufgegeben. Ich meine ernsthaft – das wäre ab einem bestimmten Punkt gar nicht möglich gewesen und hätte den Weg nur unnötig schwer gemacht. Außerdem war es schweinewarm und meine Füße haben sich sehr über die Abkühlung gefreut. Also AB IN DEN FLUSS! Nachdem wir dann ein paar hundert Meter innerhalb des Flusses weiter bergauf gewandert sind, ging es wieder über Land weiter. Anders als vorher war das jetzt auch mehr eine Kletter- als eine Wanderpartie. Nach insgesamt 3km Weg haben wir es dann endlich geschafft und standen vor dem Wasserfall. Kurioserweise war der in echt wesentlich beeindruckender, als es auf den Google Fotos den Anschein erweckt hatte. Der Fall selbst war nicht besonders stark oder dicht, aber die Fallhöhe war extrem hoch und das ganze Grün drum herum sehr hübsch. Auch wir haben es nicht geschafft die Magie in einem Foto einzufangen, aber ein Boomerang ist zumindest näher dran gekommen.

Nach dem Aufstieg zu dem Wasserfall sind mir drei Dinge klar geworden: 1) Ich bin unsportlich, 2) ich bin immer noch nicht ganz gesund, 3) ich werde nicht auf den Maderas steigen, selbst wenn wir noch einen Guide finden, der das mit uns machen würde. Die Wanderung zu dem Wasserfall war ungefähr ein Drittel des Maderas, und ich war absolut fix und fertig als wir oben angekommen sind. Nimmt man dazu dass ich nicht ganz gesund war, hätte eine Vulkanbesteigung wirklich keinen Spaß gemacht. Etwas ärgerlich, aber wenn man bedenkt dass wir in Neuseeland nur die Routen für Behinderte und Kleinkinder gelaufen sind (kein Scherz, so war die Klassifizierung), war diese Wanderung zumindest schon eine deutliche Steigerung zum letzten Wanderausflug. Und ich muss zugeben, dass ich ein bisschen Blut geleckt habe. Da hoch zu wandern / kraxeln hat mir wesentlich mehr Spaß gemacht als ich dachte, und in Zukunft hätte ich dann gerne ein besseres Fitnesslevel, um auch einen Vulkan besiegen zu können. Ha!

Bergrunter ist mir wiederum sehr leicht gefallen, und im Anschluss haben wir uns dann ein wohlverdientes Essen gegönnt. In der Zwischenzeit haben wir auch Kontakt mit Franzi und Alberto aufnehmen können. Da keiner von den beiden Motorrad fahren kann und unser Eindruck der Hacienda Merida ziemlich schlecht war, haben wir uns letztlich dazu entschieden nicht dort unterzukommen, sondern uns in San Jose ein Hostel zu suchen. Ein Ort im Südwesten der Nordinsel, der ein guter Ausgangspunkt für weitere Ausflüge ist.

Frisch gestärkt wollten wir uns dann mal eben schnell auf den Weg dorthin machen, aber das Universum hatte einen anderen Plan. Keine zehn Minuten auf dem Motorrad und es fing an zu regnen als würde die Welt untergehen. Badewannen über Badewannen wurden über uns ausgeschüttet und wir waren auf der Südinsel auf einem Motorrad und wollten einfach nur auf die Nordinsel nach San Jose ins Trockene und uns nach der anstrengenden Wanderung etwas ausruhen. Die Matschwege wurden zu Matschflüssen, die Stolpersteine zu rutschigen Fallen und gesehen hat man vor lauter Regen auch kaum noch was. Wir sind zuerst kurz an den Rand gefahren um den schlimmsten Regenguss abzuwarten, haben dann aber schnell gemerkt, dass es so schnell nicht aufhören würde. Da keiner von uns diesen Wahnsinn auch noch im Dunkeln hinter sich bringen wollte, sind wir dann wohl oder übel im strömenden Tropenregen weitergefahren. Ein paar Vorteile hatte da Ganze: Es gab kurz mal keine Mücken und es standen auch keine halbstarken Jungs mehr an der Straße, die uns unpassende Kommentare hinterhergerufen haben. Yay, wenigstens etwas.

Irgendwann – es kam uns wie eine verdammte Ewigkeit vor – sind wir dann auch in San Jose angekommen und konnten nach einem weiteren kleinen Matschweg durch den Wald unser Motorrad neben dem Hostel abstellen. Hätte man uns mit Kleidung in einen Pool geworfen, wir wären nicht nasser gewesen. Aber wenn man die Umstände bedenkt und dass wir zum Teil durch knöchelhohe Flüsschen und über richtig rutschige Wege gefahren sind, können wir denke ich trotzdem noch sagen dass wir Glück gehabt haben. Und nach einer sehr feuchten aber glücklichen Umarmung mit den schon wartenden beiden Neuankömmlingen Franzi und Alberto, durften wir dann auch unter die sehnlichst erwartete Dusche.

Nachdem Dreck, Unwohlsein und der Stress unseres kleinen Motorradabenteuers abgewaschen waren, kam ein Guide ins Hostel, um uns zu einer möglichen Vulkanbesteigung zu beraten. Schnell war klar, dass die Information aus Moyogalpa korrekt und der Maderas in dieser Jahreszeit kein empfehlenswertes Ausflugsziel war. Schade Schokolade – besonders für Alex, die eigentlich nur deshalb mit nach Ometepe gekommen war. Den anderen Vulkan hatte sie schon bestiegen. Franzi und Alberto haben sich dann kurzerhand dazu entschlossen am Sonntag den Concepcion zu besteigen, sodass wir den Samstag alle gemeinsam etwas unternehmen konnten.

Und hier werde ich tatsächlich den ersten Teil des Reiseberichtes schon abschließen. Es gibt so unglaublich viel zu erzählen über unsere Abenteuer auf dieser zauberhaften Insel, und es passt einfach nicht alles in einen Blogeintrag. Also bleibt dran, der nächste Streich folgt sogleich.

Lisbeth

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