Kaffee in Matagalpa 1/2

Kaffee in Matagalpa 1/2

Hallo liebe alle!

Wie versprochen werde ich euch jetzt ein bisschen was über den letzten Wochenendausflug nach Matagalpa erzählen.

Wenn man sich mit Leuten meiner Generation über das Thema Urlaub und Reisen unterhält, fallen zwei Dinge besonders auf: Zum einen liegen die meisten Reiseziele außerhalb von Europa, und zum anderen geht es meistens darum möglichst nicht (!) wie der böse Pauschaltourist zu reisen. Pauschaltourismus und Massentourismus sind verpönt und der heilige Gral der Weltenbummler ist es, das Land möglichst wie die Locals – also die Einheimischen – zu erleben. Wie die meisten Dinge im Leben sollte man aber auch das etwas differenzierter betrachten: Was ist die Erwartung an den Urlaub? Entspannung oder Abenteuer? Und wie wichtig ist einem Sicherheit oder Hygiene, wie empfindlich der Magen und wie stark das Bedürfnis die eigene Komfortzone zu verlassen? Ich finde es unglaublich spannend sich mit Einheimischen fremder Länder und Kulturen auseinander zu setzen, Neues zu lernen und ein bisschen auf Abenteuersuche zu gehen. Oft geht das außerhalb der westlichen Welt aber einher mit Ungewissheit, Plumpsklos, Verständigungsschwierigkeiten und verdächtigen Bettlacken. Alles Dinge, die das Nervenkostüm mitunter sehr stark strapazieren können. In den meisten Fällen ist es trotzdem eine großartige und bereichernde Erfahrung, aber man darf nicht unterschätzen wie anstrengend so ein Ausflug in eine andere Welt sein kann. Wenn man das ein paar Mal gemacht hat, verurteilt man den Pauschalurlaub und Massentourismus nicht mehr ganz so sehr und fragt sich vor der Reise einfach mal, wonach einem gerade eben ist: Abenteuer oder Entspannung. So hat alles irgendwie seinen Platz.

In dem Sinne: Auf nach Matagalpa!

Da meine erste Unterrichtswoche in Diriamba all meine Hirnkapazitäten verschlungen hat, haben Alex und Ariadna die Planung für das Wochenende alleine übernommen und ich habe mich vorab nur als Pilotfisch angekündigt. Deshalb wusste ich bei Abfahrt auch nicht so wirklich, was wir eigentlich in Matagalpa vorhatten. Irgendetwas mit Kaffeeplantagen. Ari hat eine Freundin in Cataluña, die ihr den Kontakt von einem Guide in Matagalpa gegeben hat. Besagte Freundin hat vor einem Jahr mit diesem Guide einen Ausflug auf eine Kaffeeplantage gemacht und war schwer begeistert. Vorab hatte Alex, ganz im Sinne deutscher Planungsliebe, versucht rauszubekommen was genau wir machen werden, wie viel das kostet, wie lange das dauert, etc. – Pustekuchen. Nicaraguanische Guides entsprechen nicht den deutschen Vorstellung eines durchgeplanten Wochenendes…trotzdem haben wir gesagt dass wir nach Matagalpa fahren und uns mit dem Guide treffen, im Zweifel hätten wir ja einfach irgendwo eine andere Tour buchen oder uns ein hübsches Hostel suchen können.

Die Reise hat sich wie folgt abgespielt:

  • Los ging es am Freitag um 7:00 morgens in Diriamba, wo wir (Ari, Alex und ich) zusammen mit Lluis (arbeitet bei der NGO, die im Raum neben unserem Büro arbeitet) in den Microbus nach Managua (Hauptstadt von Nicaragua) gestiegen sind. Eine Stunde Fahrt für 30 Cordobas (ca. 0,90€) in einem vollgestopften Transporter inklusive Sitz-, Steh- und Hock-Plätzen.

 

  • In Managua angekommen sind wir dann zu viert in ein Taxi gestiegen und eine halbe Stunde weiter bis zum Busbahnhof von Managua gefahren. Also zugestiegen sind vier Personen – in dem Taxi saßen außerdem schon der Fahrer und eine anderer Passagier. Es ist hier völlig normal sich ein Taxi zu teilen, und das durchaus mit bis zu 5 Passagieren. Nein, das sind keine Transporter, das sind ganz normale Taxen.

 

  • Am Busbahnhof haben wir uns dann ein Expressticket für den Bus nach Matagalpa gekauft, damit wir nur 2,5 Stunden statt 4-5 Stunden unterwegs sind. Zu meiner Überraschung waren auf den Tickets sogar Plätze angegeben, sodass man sich nicht in gelernter Ryanair-Manier um einen Sitz streiten musste.

Der Busbahnhof in Matagalpa war laut und warm, und ich erst mal kurz überfordert. Nachdem wir uns von Lluis verabschiedet hatten, der mit seiner Freundin Matagalpa erkunden wollte, haben wir uns ein schattiges Plätzchen gesucht und auf den Guide gewartet.

Der kam dann auch recht bald und stellte sich uns als Eleonoro, kurz Lolo, vor. Lolo war in Las Nubes (der Kaffee-Plantagen Gemeinschaft, die wir besuchen wollten) mal Missionar, jetzt aber Touristenführer in einem Naturreservat in der Nähe von Estelí. Seine Schwester lebt aber noch bei den Kaffeeplantagen, und er hat sich überlegt dass er da gerne ein bisschen Ökotourismus aufziehen möchte. Die Menschen dort haben nicht viel, werden dauernd von großen Unternehmen übers Ohr gehauen, und können ein bisschen Unterstützung gut gebrauchen. Da das aber aktuell noch keine feste Tour ist und er sich gerade erst überlegt wie er das alles machen möchte, gibt es neben keinem festen Ablauf auch noch keinen festen Preis. Basierend auf den Erfahrungen von Aris Freundin haben wir uns dann darauf geeinigt 25$ an das Dorf zu geben. Er selbst wollte kein fixes Geld, sondern hat gesagt dass wir ihm am Ende ein Trinkgeld geben können, wenn uns die drei Tage gefallen haben.

Dann sind wir losgelaufen. Keine Ahnung wohin…ich hab den Plan nicht so ganz verstanden, aber bin einfach mal hinterhergedackelt. Als erstes sind wir in eine Markthalle gegangen, wo wir noch etwas gegessen haben, um uns für den Weg zu stärken. Alex hatte Gallo Pinto, das Nationalgericht von Nicaragua: Reis mit roten Bohnen. Ari und ich hatten eine Suppe….oder vielmehr einen Suppen-See. Wir haben jeder einen ganzen Topf mit Suppe vorgesetzt bekommen, mit dem man ohne weiteres eine ganze nicaraguanische Schulklasse hätte füttern können. Inklusive halbem Tier drin, was nicht so ganz appetitlich aussah. Unabhängig von meiner Reise habe ich mir im letzten Jahr des Öfteren überlegt, ob ich das mit dem Fleisch essen einfach sein lassen sollte. Ja klar, Bärchenwurst und Schnitzel sind super und lecker, aber es muss halt immer ein Tier sterben, wenn ich Fleisch esse. Wenn man sich das mal mit all seinen Konsequenzen bewusst mach und zuende denkt, ist das ziemlich doof. Bisher habe ich zwar meinen Fleischkonsum reduziert, aber ganz darauf zu verzichten fällt mir noch richtig schwer. Mal sehen. Was nicht ist, kann ja noch werden.

Nach der kleinen Stärkung sind wir dann weitergelaufen, und ich hatte natürlich wieder keine Ahnung wohin. Nächster Stopp: Ein kleines Kiosk, an dem wir uns Wasser kaufen konnten. Das haben wir dann auch brav gemacht, woraufhin Lolo verschwunden ist. Komisch. Nach ein paar Minuten kam er dann wieder und hat uns gebeten auf die Ladefläche des großen Transporters zu steigen, neben dem wir die ganze Zeit gestanden hatten. Da saßen auch schon fröhliche 20 einheimische Erwachsene und ca. 5 Kinder und warteten darauf dass es losgeht. Der Transporter war der Knaller: Ein RIESENDING mit Führerhaus und Ladefläche, die an einen Viehtransporter erinnerte. Mit 6×2 Rädern und ziemlich viel Geratter beim Fahren. Dagegen schnurrt Dieters Bus wie ein sanftes Kätzchen.

Neben den Menschen waren auch ein paar Säcke Hühnerfutter, Bananenstauden und Eimer mit Olivenöl an Bord…zumindest wären wir versorgt sollte es hart auf hart kommen. Auf meine vorsichtige Frage hin wie lange wir denn fahren würden, wurde mir erklärt dass die Einheimischen diesen Weg „Camino de la paciencia“ nennen – den Weg der Geduld. Im Schneckentempo über Stock und über Stein waren es dann letztlich ungefähr 2 Stunden, die wir in dem ratternden Ungeheuer verbracht haben. Auf dem Weg sind immer mal wieder Leute ein- und ausgestiegen, liebevoll choreografiert von einem Einheimischen, damit der Transporter möglichst wenig Zeit stehend verbringt….also eigentlich sind die Leute eher aufgesprungen als gemütlich eingestiegen.

Es scheint in Nicaragua bei allen Arten des öffentlichen Transportes immer 2 Leute zu geben: Den Fahrer und den Geldeintreiber, bzw. Passagier-Manager. Kommuniziert wird in der Regel durch pfeifen: Halt! Los! Stop! Warte! Langsam! Das alles geht hier ganz ohne Worte. Trotz meiner anfänglichen Bedenken war die Fahrt großartig! Man hatte einen tollen Blick auf die weite Landschaft, während man langsam aber stetig immer weiter die Berge hochgefahren ist, bis man den dichten Urwald und nebelverhangene, grüne Bergspitzen sehen konnte. Über Schotter, Dreck, durch Pfützen und zuweilen 30-40° steile, unbefestigte Abhänge hinauf und hinunter. Ich war das ein oder andere Mal durchaus der Überzeugung, dass der Winkel des Übergangs von bergab zu bergauf viel zu spitz für die Länge des Transporters sei – aber falsch gedacht. Man darf nur nicht den Fehler machen sich zu überlegen was passiert, wenn das Ding mal umkippt oder die Bremsen nicht mehr mitmachen. Das versaut die Stimmung.

Oben angekommen sind wir als erstes ein bisschen durchs Dorf gelaufen und haben die Andersartigkeit und Schönheit der Umgebung förmlich aufgesogen. Vorbei an einem kleinen Mirador (Aussichtspunkt), von dem aus man einen wahnsinnig beeindruckenden Blick auf die Urwaldberge um uns herum hatte, sind wir zum bescheidenen Häuschen einer Familie weitergewandert. Auch wenn die Familie eigentlich viel größer ist, lebten in dem von uns besuchten Haus Mutter und Vater und Tochter. Das Alter war schwer zu schätzen, da die Lebensumstände die Leute vermutlich wesentlich älter wirken lassen, als sie eigentlich sind. Müsste ich raten, würde ich sagen dass die Eltern so um die 60/70 und die Tochter so um die 30/40 war. Hauptredner der Familie war immer der Vater; Mutter und Tochter haben zwar immer höflich genickt, mitgelacht und einen guten Tag gewünscht, aber sonst nicht sehr viel gesprochen. Die Verständigung mit dem Vater lief hauptsächlich über Ari und Alex, da es mir unglaublich schwer fiel ihn zu verstehen. Man muss dazu sagen dass in Nicaragua sehr viel genuschelt wird – und wenn das jemand sagt der in Andalusien Spanisch gelernt hat, heißt das schon was. Ich dachte immer die Südspanier wären Nuschel-Weltmeister. Erschwerend hinzukommt, dass der Gute noch geschätzte 8 Zähne hatte, was das mit dem Nuscheln natürlich auch nicht besser gemacht hat.

 

Die Familie lebt in einer Holzhütte inmitten eines Grundstücks, das etwas geebnet worden war. Wunderschöne Blumen in allen Formen und Farben waren auf dem Grundstück verteilt, inklusive Planta de Corazon (Herzpflanze), Kaffeestaude und Hortensie. Ja, hat mich auch etwas überrascht – eine Hortensie hätte ich jetzt in den Tropen nicht erwartet. Aber hey, da der Großteil von Nicaragua erzkatholisch ist, brauchen sie die Hortensie vermutlich auch für ihre Kinderkommunion.

 

Das Haus selbst war ein sehr einfacher Holzbau mit einer Küche, einem Raum für Gäste, einem Raum für die Familie und einer kleinen Holzterrasse vorne dran, auf der wir immer gegessen haben. In dem „Garten“ mit den ganzen schönen Pflanzen stand außerdem ein kleiner Holzverschlag für Feuerholz, das zum Kochen verwendet wird, ein Kaninchenverschlag und ein Verschlag in dem ein Steinbecken mit Gartenschlau zu finden war  – das Badezimmer.

 

Eine Toilette in dem Sinne gab es nicht, vielmehr eine Latrine…wobei wir uns relativ schnell einig waren, dass es angenehmer ist etwas außerhalb des Grundstücks in freier Wildbahn auf Toilette zu gehen, als die Latrine zu benutzen. Im Zentrum des Gartens stand ein Gebäude das etwas höher war und für das Schälen der Kaffeebohnen verwendet wird – dazu aber später mehr. Wenn man an den Rand des Grundstücks ging, wurde es schon etwas urwaldiger und man konnte nach Lust und Laune Mandarinen und Orangen von den Bäumen pflücken. Hühner, Katzen und Hunde laufen im Haus und auf dem Grundstück frei herum, und etwas weiter entfernt – bei dem Mirador – war ein Schwein angeleint.

      

Nach der ersten Vorstellung der Familie hat Lolo sich verabschiedet um für eine halbe Stunde ein paar Besorgungen zu erledigen, und wir drei sind rauf zum Mirador, um die wunderschöne Aussicht noch etwas zu genießen. Der Ausblick war auch auf den zweiten Blick noch genauso beeindruckend, und auch etwas surreal. Man kann unvorstellbar weit gucken und sieht überall nur grün, grün, grün – Berg rauf und Berg runter. Wenn man dann an den Horizont schaut, sieht man ganz weit weg noch mehr Bergketten, manchmal im Nebel verhangen, was das Ganze noch schöner macht. Und nachdem man eine Weile hingeschaut hat, fällt einem plötzlich auf, dass man noch viel weiter hinter die vermeintlich letzte Bergkette gucken kann, weil es dahinter noch weiter geht. Auf Anhieb guckt man gar nicht so weit, da man diese Dimensionen gar nicht gewohnt ist und der Blick da verharrt, wo man die letzte Bergkette erwarten würde. Klingt seltsam, ist aber wirklich so. Die Weite hier ist der absolute Wahnsinn. Das sind Bilder, die man aus diversen Abenteuer und Dschungelfilmen vielleicht schon kennt, aber das ganze real zu sehen ist noch mal um ein vielfaches beeindruckender. Und nein, natürlich kann man das nicht gebührend in einem Foto festhalten. Aber wir haben es versucht.

Irgendwann kam dann der Vater der Familie rauf und hat sich zu uns gesetzt. Ari und Alex haben ihn etwas zum Leben hier ausgefragt, und mit der Zeit habe auch ich mich in seine Art zu Sprechen reingehört und konnte das meiste des Gesagten verstehen. Überraschenderweise ist er nicht in dem Dorf geboren, sondern kommt eigentlich aus der Stadt Estelí. Da hat er ein ganz anderes Leben geführt, mit viel Lärm und Dreck und ebenso viel Armut. Irgendwann hat er sich dann entschieden in die Berge zu ziehen und führt hier zwar auch ein sehr bescheidenes und eher ärmliches Leben, ist dafür aber umgeben von Natur und tollen Menschen – er führt hier ein wesentlich glücklicheres Leben, als er es in Estelí geführt hat. Alex hat ihn dann gefragt, ob die Jugendlichen das Dorf oft verlassen sobald sie alt genug sind – das wäre so der europäische Klassiker. Auf dem Dorf aufgewachsenen und danach erst mal ab in die Stadt. Aber das scheint nicht der Fall zu sein, er sagte dass die meisten Menschen die hier geboren werden auch ihr Leben lang hier wohnen bleiben.

Es gibt eine Grundschule hier (siehe Bilder unten von Hof, Gebäude und Klassenraum), die die Kinder besuchen können. Wenn sie darüber hinaus weiter in die Schule gehen möchten, was meistens der Fall ist, müssten die Kinder dafür nach Matagalpa fahren. Das heißt jeden Morgen und jeden Abend 2,5 Stunden im Transporter den Berg runter und den Berg wieder rauf.

Es war mittlerweile dunkel geworden und Lolo bestimmt schon ein, zwei Stunden weg. Deshalb haben wir kurzerhand beschlossen schon mal ohne ihn zu Abend zu essen und dann weiter zu warten. Das Abendessen bestand klassischerweise aus Reis mit roten Bohnen, dazu etwas Hühnchen und die Tortilla. Anders als in Spanien ist hier die Tortilla eine Art Brotlappen, ähnlich wie wir das von Burritos kennen, nur eben aus Mais und Mehl gemacht. In der Stadt werden die Fladen oft gekauft, hier in den Bergen wird das ganze selbst gemacht. Gekocht wird auf einer Feuerstelle in der Küche, und zu dem Essen gibt es entweder Kaffee, Wasser oder eine Art Saft –Wasser gemischt mit Zucker und einem Schuss frischen Orangensaft.

Irgendwann, es war mittlerweile stockdunkel, kam auch Lolo wieder dazu und hat uns erzählt, was so der Plan ist. Eine von uns würde bei der Familie bleiben und zwei von uns bei einer anderen Familie unterkommen. Da mein Spanisch mit Abstand am schlechtesten war, haben wir entschieden dass Ari da bleibt und Alex und ich zu der anderen Familie gehen. Unten ein paar Bilder dazu, wie diese Familie gelebt hat. Weniger Platz als bei Familie 1, dafür aber zumindest ein Klo…ohne Spülung, sodass man händisch Wasser nachgießen musste, aber immerhin besser als eine Latrine.

Nach einer unspektakulären, aber ziemlich kalten Nacht unter unseren Mückennetzen, ging es dann am nächsten Morgen zum Frühstück zurück zu Aris Familie. Der Weg zwischen den beiden Familien, der nachts mit Taschenlampe schon eine ziemliche Herausforderung dargestellt hatte, war bei Tageslicht nur unwesentlich besser. Das erste Viertel des Weges war zwar als Feldweg gut begehbar, den Rest sind wir aber über ziemlich steile Abhänge geklettert, die aufgrund der Regenzeit glitschig und rutschig waren, über Flüsschen gehüpft und durch einen Stracheldrahtzaun geklettert. Nach dem Frühstück – Reis mit Bohnen und Banane – ging es dann zum Kaffeefeld, wo wir einer anderen Familie bei der Ernte geholfen haben.

Die Familie, bestehend aus Eltern, Kindern, Cousins, etc., war unglaublich freundlich und hatte offensichtlich viel Spaß bei der Ernte. In dem Dorf allgemein und speziell bei der Kaffeeernte hat es Tradition sich über das ganze Feld hinweg anzubrüllen, zu unterhalten und Witze zu erzählen.  Wenn ich Feld sage, dann dürft ihr euch nicht so ein Feld vorstellen wie wir es Zuhause vom Mais- oder Rübenanbau her kennen. Es gibt keinen ganz klar abgegrenzten und überschaubaren Bereich, sondern ein kleines Wäldchen, das nur nicht ganz so dicht und hoch bewachsen ist wie der Rest des Urwaldes. Hier sind die Kaffeesträucher in mehr oder weniger geraden Reihen angepflanzt, dazwischen immer mal wieder ein anderer hoher Baum oder ein kleinerer Bananenbaum ohne Früchte. Mal ist der Bereich eben, mal muss man kleinere Abhänge rauf und runter laufen, um in seiner Reihe zu bleiben. Das ist übrigens sehr wichtig, dass man immer in seiner Reihe bleibt. Offensichtlich gibt es ein System, wer welche Reihe bearbeitet. Und wenn man sich mal mit 1-2 Sträuchern vertut, denkt der andere dass seine Reihe schon komplett abgearbeitet wurde und sucht sich was anderes…obwohl hinten in seiner Reihe vielleicht noch viele Früchte zu ernten gewesen wären. Für die Kaffeeernte schnürt man sich eine Art Bastkorb ziemlich fest vor den Bauch, in den man dann die Bohnen wirft. An der Seite hat man ein kleines Säckchen, in das die unreifen grünen Bohnen kommen, falls man davon aus Versehen auch welche mit abgepflückt hat.

 

Begleitet wurde ich von Nathaniel, dessen Familie die Plantagen gehören. Nathaniel ist 20 Jahre jung, in dem Dorf aufgewachsen und möchte auch auf jeden Fall auch da bleiben. Während er mich des Öfteren vor einem Matsch-Bauchplatscher bewahrt hat (Gummistiefel, nicht Turnschuhe, wären bei der Kaffeernte die Schuhe der Wahl) haben wir uns ein wenig unterhalten. Er hat sieben Geschwister und mich dazu ausgefragt wie man denn eigentlich von Deutschland nach Nicaragua kommt, wie lange man da Fliegen muss und wie groß so Flugzeuge eigentlich sind. Gelernt habe ich von Nathaniel, welche Früchte man schon ernten kann, und welche besser nicht. Man muss bei der Ernte darauf achten, welche Art Strauch man gerade bearbeitet: Es gibt Sträucher mit roten Früchten, von denen man dann auch nur die roten erntet. Und es gibt Sträucher mit gelben Früchten, da erntet man dann die gelben oder gelb-orangenen. Grüne Früchte, sollte man am besten gar nicht ernten, die sind noch nicht reif genug.

 

Wenn der Bastkorb voll ist, leert man ihn in einem großen Sack aus. Einen Sack sollte man am Tag schon voll machen, wenn man richtig gut ist schafft man auch 2-3. Pro Sack bekommen die Familien 1$ – was angesichts der Arbeit von Ernten, Schälen, Waschen und vorbereiten einfach nur lächerlich ist. Und auch einer der Gründe für die Armut, die hier herrscht.

Die Kaffeerntezeit ist von Oktober bis Ende Dezember. In dieser Zeit erntet die Familie von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends – unsere Touriversion ging allerdings nur so bis elf Uhr. Genau rechtzeitig für ein kleines Päuschen, bevor es dann um 12 Mittagessen gab. Wir Waschlappen.

Naaa, ratet mal was es dann zu Mittag gab? Genau – Reis mit Bohnen und Tortilla. Dazu aber dieses Mal auch selbstgemachten Käse, Yukka und ein Gemüse mit M, dessen Name ich vergessen habe.

Es ist wirklich beeindruckend, was die Familien da leisten. Und erschreckend, wie wenig sie dafür bekommen. Besonders wenn man als ungeübtes Weißgesicht mal einen Bruchteil der Arbeit mit macht und danach völlig fertig ist. Das gibt einem dann noch mal einen ganz anderen Blickwinkel auf das Thema faire Bezahlung, wenn der ausgebeutete Kaffeebauer plötzlich ein Gesicht bekommt.

Nach dem Essen ging es dann auf zum Spaziergang durch das Dorf, den Wald und noch mehr Plantagen. Da ich aber jetzt schon so unglaublich viel geschrieben habe, erzähle ich euch davon beim nächsten Mal.

Peace Out & Kaffee für alle (außer mich). Fair Trade natürlich.

Lia

P.S.: Aufgrund diverser Nachfragen: Nein, ich bin dem Tee natürlich nicht abtrünnig geworden – aber Nicaragua ist nunmal ein Kaffeeland. Zu den Teeplantagen gehts dann in Asien 😉

 

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