Wer? Wie? Wo? Was?
¡Hola Chicos!
Es gibt Neues von der Front in Nicaragua! Ich hab mich immer noch nicht so richtig akklimatisiert und Schnappatmung ist weiterhin mein Modus – aber jetzt spulen wir erst mal zum Anfang zurück.
Am Sonntag habe ich Alexandra kennengelernt, auch aus Deutschland. Wir waren zwar nicht wie ursprünglich geplant am Strand, haben uns aber in einem netten Restaurant getroffen und erst mal eine Runde gequatscht. Es klingt sehr banal, aber nach den anstrengenden ersten Tagen mit viel Lächeln und Winken hat es sehr gut getan einfach mal ohne Anstrengung mit jemandem kommunizieren zu können. Immer nur spanisch sprechen plus die ganzen neuen Eindrücke, die den ganzen Tag auf einen einprasseln, sorgen für ziemliche Hirnmatsche. Ich habe zwischendurch gedacht, dass es vermutlich schlau gewesen wäre, sich erst mal ein paar Wochen Urlaub in Nica zu gönnen, um sich an den Lifestyle hier zu gewöhnen. Sodass zumindest nicht ALLES komplett neu ist, wenn man in Diriamba ankommt und Lehrer sein möchte. Hab ich nicht gemacht und mir wohl etwas zu viel auf einmal zugemutet – STORY OF MY LIFE.
Am Sonntag war ich den ganzen Tag ziemlich nervös, weil ja Montag angeblich der erste Unterrichtstag sein sollte und ich mich so gar nicht bereit dafür gefühlt habe. Ausserdem hatte ich irgendwie das Gefühl, dass die allgemeine Meinung vorherrschte dass ich schon alles wüsste. Das Problem war glaube ich Folgendes: Ich habe meine Intro von Shawn (Koordinator in Ausbildung) bekommen, der aber am gleichen Abend abgereist ist und nicht alles bis ins Detail erklärt hat, weil er dachte dass Diana das macht. Diana wiederum dachte wahrscheinlich, dass Shawn mir alles schon erzählt und gezeigt hat. Und so gehen alle fröhlich davon aus dass Lia gut vorbereitet ist, aber Lia denkt sich nur „WTF, wo war noch mal die eine Schule in der ich unterrichte? Kinder? Englisch? Was?“. Irgendwann am Nachmittag sah ich dann das Licht am Ende des Tunnels: Alle Stunden am Montag mache ich nur als Begleitung mit um die Klassen kennen zu lernen, und erst ab Dienstag bin ich auf mich alleine gestellt. Puh, Schwein gehabt.
Ich werde an zwei verschiedenen Schulen unterrichten:
Pedro Joaquín: Eine kleinere, öffentliche Schule am Stadtrand. Es dauert etwas länger hinzukommen, aber die Klassen sind schön übersichtlich mit maximal 20 Schülern, also de fakto so 12-15 anwesenden Schülern.
La Salle: Die größte öffentliche Schule in Diriamba, einen Steinwurf von meiner Gastfamilie entfernt. La Salle hat ein abgegrenztes Schulgelände mit Hof und verschiedenen Gebäuden. Die Klassen sind riesig und können bis zu 50 Schüler enthalten – also de fakto so 20-30 anwesende Schüler.
Während wir unterrichten, soll immer auch der Klassenlehrer im Raum sein und bei Bedarf für Zucht und Ordnung sorgen. Sehr witzig. Das mit der Zucht und Ordnung funktioniert in der Praxis bei manchen Lehrern richtig gut, bei den meisten eher so geht-so-gut. Und wenn die Lehrer das Gefühl haben dass man nicht völlig vorm Nervenzusammenbruch steht, verlassen sie den Raum auch gerne, um selbst eine kurze Verschnaufpause zu genießen.
Am Montag bin ich also mit Alex zu meiner ersten Schule im Mototaxi gefahren: Pedro Joaquín. Glücklicherweise eine verhältnismäßig kleine Klasse, mit nur ein paar Störenfrieden. Ein paar Schüler, die vermutlich zu schlau/unterfordert sind und denen einfach langweilig ist, und ein paar Schüler, die einfach keine Lust haben. Und eine Chica, die mit 8 schon aussieht wie eine Mamacita, die später im Club an der Kasse sitzt und die Kohle zählt. Einseitig hochgezogene Augenbraue und geschürzte Lippen inklusive. What up, Digga?
Oh, auf dem Weg zur Schule habe ich übrigens auch mein Nica Handy verloren. Ich hatte das in meiner Hosentasche und gehe davon aus, dass es beim wilden Mototaxi-Ritt irgendwann rausgefallen ist. Schade Schokolade.
Über Mittag hatte ich dann meine Einführung mit Gary, der mich übrigens an Dan Glover erinnert (Lethal Weapon lässt grüßen), in der er mir ganz ganz viel von meinen Bauchschmerzen genommen hat. Neben dem allgemeinen „Wo ist was“ hat er mir ganz viel darüber erzählt, was wir leisten und auch nicht leisten können, was unsere Rolle ist und wo auch unsere Grenzen sein müssen. Dass wir zum Beispiel nicht hier sind um die Kinder zu erziehen, dass das Aufgabe der Lehrer ist. Als Außenstehende und Ausländer dürfen wir das auch gar nicht. Jedes englische Wort das die Kinder mit nach Hause nehmen, hilft ihnen später. Und alles was man zu ihnen sagt, kann einen Effekt haben – einen großen wie kleinen. Wir sind nicht hier um die ganze Welt zu retten, sondern um den Kindern so viel Englisch mitzugeben wie sie aufnehmen können und wollen.
Die Unterrichtsbegleitung mit Gary war auch wirklich gut. Mit seinen 60 Jahren und 3,5 Jahren Erfahrung hier in Diriamba hat er eine Ruhe und Gelassenheit, von der man sich wirklich eine große Scheibe abschneiden kann. Seine Energie ist super, er bleibt freundlich aber hartnäckig bei den weniger aktiv mitarbeitenden Kindern, und ich konnte viel für meinen Unterricht mitnehmen. Da fühlt man sich direkt viel besser. Ich hätte einfach am Samstag oder Sonntag schon das Gespräch mit Gary haben sollen, dann hätte ich vermutlich viel weniger Bauchschmerzen gehabt. Nachmittags hat er mir dann auch geholfen ein neues Handy zu kaufen. WUHU!
Abends war dann Eduardos Abschiedsessen, das war ok und nett, aber auch glücklicherweise schnell vorbei. Eduardo ist kein bisschen gereist in seiner Zeit hier, sondern hat seine ganze Energie genutzt um quasi zum Einheimischen zu werden. Und das hat allem Anschein nach auch ganz hervorragend geklappt; er versteht sich wahnsinnig gut mit der Familie und jeder im Ort scheint ihn irgendwie zu kennen. Und wenn sie ihm nur mal hinterhergepfiffen haben, weil sie dachten dass er ein Mädchen sei. Lange Haare halt, Nardos Lieblingsgeschichte. Meine Beziehung zu meiner Gastfamilie ist nach wie vor sehr freundlich, aber nicht besonders engagiert. Die können glaube ich mit mir nicht so richtig viel anfangen, ich mit ihnen leider auch nicht. Dafür bin ich einfach zu wenig Smalltalker und zu sehr gerade mit mir selbst und meiner Situation überfordert. Mal schauen ob sich da noch etwas dran ändert.
Ich habe mich immer noch nicht ganz entschieden, ob Diriamba gefährlich ist. Der eine sagt „Nein“, der andere sagt „nur spät abends ab neun“, die anderen sagen „quatsch, erst ab elf, aber eigentlich gar nicht“. Ich glaube die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Klar, wenn man in einer nicht beleuchteten Straße am äußeren Stadtrand neben Wellblechhäusern sein teures Handy rausholt und damit spielt – dann ist das vermutlich nicht so schlau. Aber wenn man einigermaßen bewusst durch die Gegend läuft, hat man vermutlich nichts zu befürchten. Und wenn es dunkel ist geht man sowieso nicht alleine, sondern in der Gruppe oder man fährt im Mototaxi.
Mototaxis sind übrigens das bevorzugte Fortbewegungsmittel hier: Einmal von meinem Zuhause bis Pedro Joaquín kostet 10 Cordobas, das sind ungefähr 0,28€. Kann man mal machen. Wer schon mal in Thailand war kennt vermutlich TukTuks. Mototaxis sind das gleiche – also eine Art Roller mit einem Kasten für Passagiere hinten drauf. Ich hätte jetzt gesagt, dass der Kasten groß genug für so zwei, maximal drei Leute ist. Die Einheimischen benutzen ihn allerdings auch gerne für drei oder vier Personen. Plus Rucksack. Und Fahrrad. Und Wocheneinkauf. Und Baby.
Das wars für’s Erste – der nächste Blogeintrag kommt bestimmt. Und zum Abschluss gibt’s noch eine kleine Anekdote: Frauen unter 50 haben in Nicaragua keine kurzen Haare. In meinem Fall hat das am ersten Tag bei Kindern und Lehrern für ziemlich viel Verwirrung gesorgt…ist die neue Profe jetzt ein Junge oder ein Mädchen? Man weiß es nicht so genau. Memo an mich selbst: Ohrringe anziehen und Lippenstift auflegen.
Peace Out!
Lia