Kaffee in Matagalpa 2/2
So, da simmer widder – wie wir auf dem Land so schön sagen.
Nachdem wir bei der Kaffeeernte geholfen hatten, sind wir mit Lolo und einem anderen Bewohner von Las Nubes (= der Name des Ortes) spazieren gegangen und haben unglaublich viel über Flora und Fauna gelernt. Zum Beispiel dass es originäre und neu-eingeführte Pflanzen gibt, und es wichtig ist ein Auge darauf zu haben. Eine neu-eingeführte Pflanze (also eine die nicht ursprünglich aus Nicaragua kommt, aber trotzdem im Laufe der Zeit hier angepflanzt wurde) ist der Bambus. Der sieht zwar hübsch aus, ist aber in großen Mengen schlecht für die Umgebung. Und wer mal Bambus im Garten hatte weiß, wie gerne er um sich schlägt. Der Bambus verbraucht nämlich unglaublich viel von dem in der Erde gelagerten Wasser. Normalerweise gräbt man in Las Nubes zwei Meter und kommt spätestens dann an Wasser. Der Bambus trinkt aber so viel Wasser, dass es dazu führt dass man für Wasser tiefer graben muss als früher. Nicht gut.
Außerdem hat Lolo, der sich selbst als starker Kämpfer für die ökologische Erhaltung Nicaraguas sieht, uns ein paar ziemlich erschreckende Bilder zur Abholzung von Nicaragua gezeigt…und dazu erklärt, dass sich als direkte Auswirkung das Klima hier sehr stark verändert hat. Während es in Nicaragua dank der riesigen Urwälder früher viel kühler war, ist es heute in weiten Gebieter nur noch heiß. Die Abholzung hat viele verschiedene kleine Gründe, die sich aber – wie das meiste Übel – auf einen gemeinsamem Nenner reduzieren lassen: Die Menschen möchten mehr Geld verdienen.
Das ist auch so ein Gedanke, mit dem ich mich in letzter Zeit vermehrt beschäftigt habe, und mich in Zukunft auch noch mehr beschäftigen möchte. Denn – Hand aufs Herz – so wirklich kenne ich mich damit noch nicht aus, deshalb nehmt das Folgende bitte als gut gepflegtes Halbwissen. Die Grundidee ist Folgende: Wir leben in Europa weitestgehend in kapitalistisch ausgerichteten Gesellschaften, die auf kontinuierliches Wachstum von Umsätzen und/oder Profit ausgelegt sind. Das ist aber kein zukunftsorientiertes Modell, da unsere absoluten Ressourcen begrenzt sind. Trotzdem haben Unternehmen in der Regel den Anspruch an sich selbst kontinuierlich zu wachsen. Wachstum kann aus verschiedenen Bereichen kommen: Neue Technologien wachsen auf Kosten alter Technologien. Okay, das geht. Wachstum auf Kosten des Wettbewerbs – das geht auch, in Maßen. Und dann bleibt noch das Wachstum auf Basis eines steigenden Konsums. Und das ist der Bereich, in dem es gefährlich wird. Denn das ist nicht nur der Bereich aus dem das „traditionelle“ Wachstum vieler Unternehmen kommt, sondern auch die Art Wachstum die in der Regel auf Kosten der natürlichen Ressourcen geht. Und die sind nun mal begrenzt. Wie viele verschiedene Bikinis, Schokoriegel, Autos oder Ohrringe braucht der Mensch, oder braucht die Wirtschaft um weiter zu wachsen? Und was ist der Preis dafür? Es gibt den sogenannten „Earth Overshoot Day“, der in diesem Jahr am 2. August war. Das bedeutet, dass die Nachfrage der Menschheit an natürlichen Ressourcen am 2. August diesen Jahres die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen überstiegen hat. Einfacher ausgedrückt leben wir seit dem 2. August 2017 auf Pump bei Mutter Natur, weil wir so viele natürliche Ressourcen verbraucht haben, dass die Erde nicht mehr damit hinterherkommt sie nach zu produzieren. Dieser Tag ist jedes Jahr ein bisschen früher, weil wir jedes Jahr mehr verbrauchen, kaufen, haben wollen. Wachstum halt. Und wir sind in der Regel nicht diejenigen, die die Auswirkungen dieser Entwicklung als Erste zu spüren bekommen – das sind in der Regel die Länder in denen die Ressourcen angebaut werden, wie zum Beispiel Nicaragua. Der Europäer oder US Amerikaner möchte mehr Kaffee trinken, also muss Nicaragua mehr Kaffee anbauen. Es gibt eine Kaffeepflanze, die pro Strauch mehr Früchte trägt – bauen wir einfach die an & das Problem ist gelöst? Leider braucht diese Pflanze mehr Licht als die traditionelle Pflanze, das heißt sie kann nicht mehr innerhalb von Wäldern angebaut werden, sondern braucht weite Felder mit direkter Sonneneinstrahlung. Konsequenz = Abholzung. Ich bin, wie gesagt, noch nicht tief genug in der Materie um viel mehr als das dazu sagen zu können, und möchte mich mit meinem Halbwissen auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber ich glaube dass es langsam Zeit für ein alternatives Modell wird – wie immer das auch aussehen mag.
Okay, zurück zu Lolo! Dessen Reden klingen zwar ähnlich, aber sind zumindest gespickt mit ein paar fröhlicheren Lektionen. Zum Beispiel der Lektion über den Specht – den findet Lolo nämlich ganz besonders toll. Der Specht mit seiner überproportional langen Zunge, seiner schlauen Vorratsplanung, damit er auch im Winter ausreichend zu Essen hat, und seiner stabilen Kopfplatte. Super Vogel!
Eigentlich wollten wir auch einen Abstecher in den Urwald machen – bisher waren wir zwar im Wald, aber auf geebneten Matschwegen, unterwegs. Beim ersten Abstecher in den wilden Wald haben wir dann nach ein paar Metern gemerkt dass unser Schuhwerk dafür nicht taugt, und den Programmpunkt kurzerhand gestrichen.
Dafür sind wir dann mit (ich glaube sein Name war) Juan zu seinem Kaffeefeld gegangen. Da stehen nämlich über 35 verschiedene Kaffeepflanzen, die er uns stolz vorgeführt hat. Die kann man auch ganz einfach durch Farbe und Form von Blättern und Früchten unterscheiden….not. Zumindest wir nicht. Sah im Prinzip alles gleich aus für das ungeübte Auge.
Juan hat uns dann erklärt, dass es nur 2 Pflanzenstämme gibt. Arabica ist die Pflanze die pro Staude weniger ergiebig ist, dafür einen ausgezeichneten Geschmack liefert. Robusto ist die ergiebigere Pflanze, die im Endprodukt aber nicht ganz so gut schmeckt, wie die Arabica. An Unterpflanzen gibt es dann noch viele viele mehr, für die Juan dann aber nicht mehr ins Detail gegangen ist. Die Pflanzen nehmen beim Wachsen das Aroma der Umgebung auf, weshalb es einen großen Unterschied macht ob und welche anderen Pflanzen noch auf dem Feld stehen, wie zB die Kakaopflanze oder andere, blütentragenden Pflanzen. Letztere sind auch wichtig, damit die Bestäubung der Kaffeepflanzen gewährleitet wird. Also immer schön dafür sorgen dass zumindest ein paar Bäume oder Blumen mit Blüten in der Umgebung wachsen.
Im Anschluss an die Führung sind wir dann zum Kaffee-Zucht-Feld geführt worden. Hier werden die kleinen Pflänzchen 5 Jahre gezüchtet, bevor sie aufs Feld dürfen.
Ist der Kaffee erst einmal geerntet, muss er als nächstes geschält werden. Das passiert in dem ominösen Verschlag im Zentrum des Gartens der Familie, von der ich im letzten Bericht erzählt habe. Hier werden die Säcke voller Bohnen hochgehievt und in einen großen Trichter geschüttet. Unten muss dann an einem Rad gedreht werden, damit die Bohnen durch eine Maschine gezwirbelt werden, die dann die Schale ablöst. Auf der einen Seite der Maschine kommt dann die Schale raus, auf der anderen Seite die geschälte Bohne – cremefarben, leicht glitschig und mit süßlichem Geruch.
Im Anschluss daran wird die Bohne gewaschen, getrocknet und gestampft. Denn die eigentliche Kaffeebohne, die dann am Ende geröstet wird, ist noch weiter innen in der Frucht versteckt. Das stampfen passiert ganz klassisch mit einem Eimer und einem großen Stampfer per Hand. Wenn man eine Weile gestampft hat muss man dann die Schale von den Bohnen trennen. Das geht einfach in dem Man eine Hand voll Stampf-Masse hoch in den Wind hält. Die Schale ist nämlich so viel leichter als die Bohnen, dass sie dann einfach wegweht. Da bei unserer Demonstration des Vorgangs Windstille herrschte, mussten wir alternativ ein bisschen pusten. Das funktioniert auch, aber nur bei kleinen Mengen. Diese kleine Minibohne ist dann auch das, was von den Bauern verkauft wird. Das Rösten findet dann später statt, im Dorf wird nur für den eigenen Kaffeeverzehr geröstet.
Und jetzt überlegt mal – dieser ganze Aufwand für 1$ pro Sack Kaffee. Das ist ganz schön wenig Geld für ganz schön viel Aufwand. Da wundert es einen nicht, dass die Bauern von der Hand in den Mund leben und versuchen so viel wie möglich selbst anzubauen und als Selbstversorger zu leben. Oft müssen Kredite zu horrenden Zinsen aufgenommen werden um Saat oder Maschinen zu bezahlen, die dann über Jahre zurückgezahlt werden. Und wehe, es gibt mal eine schlechte Ernte – dann geht’s ganz schnell an die Häuser der Bauern. Jetzt könnte man meinen, dass man bei den ganzen Bananen- und Mandarinenbäumen ja zusätzlich noch Obst verkaufen könnte. Leider nein, leider gar nicht. Der Transport zum Markt kostet mehr als die Bauern an den Stauden verdienen, weshalb die Bewohner das meiste Obst einfach verfallen lassen.
Zum Abschluss des Abends gab es einen kleinen Kulturabend. Wie eingangs schon erwähnt, war unser Besuch etwas ziemlich aufregendes für die Bewohner, die den Ökotourismus so noch nicht wirklich gewohnt sind. Und zur Feier des Anlasses wurde uns dann vorgetanzt und vorgesungen, die gleichen Lieder und Tänze, die einen Tag vorher an der Schule zum Anlass eines traditionellen Festes schon vorgetragen wurden. Erst haben wir ein Ständchen mit Gitarre bekommen, dann haben die Kinder und Jugendlichen in Zweierpärchen in traditioneller Kleidung getanzt, und dann haben drei Jungs ein Theaterstück vorgetanzt, bei dem sich zwei von ihnen als Frauen verkleiden mussten. Wir haben viel gelacht und hatten wirklich viel Spaß, und ich glaube die Bewohner auch.
Wenn man bedenkt, dass der Tag der Bewohner von Las Nubes eigentlich von 3 Uhr morgens bis 7 Uhr abends geht, waren wir erst super spät Zuhause – nämlich gegen halb neun. Die Familie hat uns dann nur kurz gefragt, ob wir zum Frühstück gerne Hühnchen hätten. Sie haben gerade keins mehr da, aber könnten einfach ein neues für uns schlachten. Okay. Gaaanz langsam. Ich glaube so direkt hatte ich das noch nie, dass ein Tier dafür sterben muss dass ich gerne Hühnchen zum Frühstück hätte. Wir haben dankend abgelehnt und sind todmüde ins Bett gefallen.
Am nächsten Tag sind wir dann mit dem 12rädrigen Ungetüm wieder bergab gedüst, um dann mit dem Bus zu La Cascada Blanca zu fahren – dem weißen Wasserfall, einer weiteren Touristenattraktion. Da wir schon relativ früh losgefahren sind, waren wir vor den Touristenmassen vor Ort und konnten den wunderschönen Wasserfall in Ruhe genießen. Sehr hübsch war auch die natürliche Höhle direkt dahinter, wo man sich hinsetzen und den Wasserfall beobachten konnte. La Cascada Blanca war nicht mein erster Wasserfall, aber ich habe größere Wasserfälle bisher nur von Weitem gesehen. Und egal ob klein oder groß – die Wucht mit der so ein Wasserfall das Wasser in sein Becken drückt, ist jedes Mal aufs Neue beeindruckend.
Da wir danach immer noch ein bisschen Zeit übrig hatten, bevor wir zurück zum Bus mussten, hat Lolo uns noch zu einem der beiden Miradores de Matagalpa gebracht. Ein Aussichtspunkt, von dem aus man ganz Matagalpa und die umliegenden Berge von oben sehen kann.
Das wars auch schon von den Kaffeeplantagen und Matagalpa. Ich habe heute festgestellt, dass ich erst seit 3 Wochen in Nicaragua bin – mir kommt es vor wie eine Ewigkeit.
In den nächsten Einträgen wird es ab und an mal um Kuriositäten des Alltags gehen, aber hauptsächlich um die Wochenendtrips, die wir so machen.
Peace Out,
Lisbeth
3 Replies to “Kaffee in Matagalpa 2/2”
Lisbeth, es ist sooo toll, was Du uns alles schreibst, zeigst und uns teilhaben lässt. Verfolge Dich auch Schritt und Tritt. Vielen Dank! Sei auf die Ferne fest umarmt. DB
Danke, zurück gedrückt! In den nächsten Wochen probier ich mal ein bisschen mit WordPress rum. Ich hab hier zwei Spanier kennegelernt die ganz tolle Features in ihrem Blog haben und meinen dass das total einfach wäre 🙂
Hört sich gut an. Gib Bescheid, wenn Du was von uns benötigst. Hier regnet es 🙂